Abstract: Mit der Kunsterziehungsbewegung kommt es im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert zu einem Aufbruch in der Kunstpädagogik, die wiederum auf die gesamte Pädagogik in Deutschland ausstrahlen sollte und als Diskurs, Motor und Mythos bis heute nachwirkt. Bereits der Name einer „Reformpädagogischen Bewegung“ zielt mit zwei Begriffen auf einen Shift: mit der „Reform“ und der „Bewegung“. Doch so bedeutend dieser ist, so problematisch ist er auch. Denn die Ideen und Konzepte der Reformpädagogischen Bewegung stehen in engem Zusammenhang mit progressiven und emanzipatorischen, aber auch mit völkischen Strömungen ihrer Zeit. In meinem Vortrag möchte ich Logiken von Antisemitismus, Rassismus und Kolonialismus in manichäischen Weltbildern herausarbeiten – die Tat, Kraft, Körperlichkeit, Gesundheit, Innigkeit, Gemeinschaft, Sehnsucht, Ehrlichkeit, Natürlichkeit und Reinheit von Gegenbildern wie Geist, Intellektualismus, Rationalität, Urbanität, Fremdheit, Kränklichkeit, Faulheit, Verlogenheit und Kosmopolitismus unterscheiden – , um deren Rolle für eine völkische Bildung der Nation mit den Mitteln der Kunst zu verstehen.
Nora Sternfeld ist Kunstvermittlerin und Kuratorin. Sie ist Professorin für Kunstpädagogik an der HFBK Hamburg. Von 2018 bis 2020 war sie documenta Professorin an der Kunsthochschule Kassel. Von 2012 bis 2018 war sie Professorin für Curating and Mediating Art an der Aalto University in Helsinki. Darüber hinaus ist sie Co-Leiterin des /ecm – Studienprogramm für Ausstellungstheorie und -praxis an der Universität für angewandte Kunst Wien, im Kernteam von schnittpunkt. ausstellungstheorie & praxis, Mitbegründerin und Teil von trafo.K, Büro für Bildung, Kunst und kritische Wissensproduktion (Wien), seit 2022 ist sie Teil von INGLAM – Inglourious Art Mediators – eine Band für Lecture Performances und seit 2011 Teil von freethought, Plattform für Forschung, Bildung und Produktion (London). In diesem Zusammenhang war sie auch eine der künstlerischen Leiter:innen der Bergen Assembly 2016 und arbeitete von 2020-2022 an „Spectral Infrastructure“ – einem Forschungskontext in Kooperation mit der basis voor actuele kunst (BAK, Utrecht). Sie publiziert zu zeitgenössischer Kunst, Bildungstheorie, Ausstellungen, Geschichtspolitik und Antirassismus.